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Wiener Lager mit Nova Lager 10°C vs 19°C Gärtemperatur

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Bernd Strehl
Bernd Strehl

Es gibt kaum ein Thema, das unter Lager-Brauern mehr diskutiert wird als die Gärtemperatur. Zuletzt auf der HBCon habe ich viele verschiedene Meinungen von Experten gehört. Dem einen kann es garnicht kalt genug sein, der andere sagt auch warm gibt es gute Ergebnisse. Gerade die Vertreter der Hefehersteller waren sich sehr einig, dass ein Lager bei höheren Temperaturen vergoren (fast) genau so schmeckt wie eines, das kalt vergoren wurde.
Wenn man bei höheren Temperaturen, und dadurch weniger Hefe, und in kürzerer Zeit, genau so gute Lagerbiere brauen kann, bin ich natürlich daran interessiert. Lallemand hat dieses Jahr für die Hobbybrauer die Nova Lager auf den Markt gebracht. Die Hefe entsammt einer komplett neue Linie (Gruppe III), und eben nicht aus einer der beiden seit ein paar hundert Jahren existierenden Linien Frohberg oder Saaz.
Insbesondere bei dieser Hefe wird damit geworben, dass es möglich sei cleane Lagerbiere bei bis zu 20°C Gärtemperatur zu erhalten. Das nachfolgende Experiment versucht dieser Behauptung auf den Grund zu gehen.
Dazu habe ich einen Sud Wiener Lager auf zwei Fermenter aufgeteilt und einen bei 10°C (Starttemperatur) und den anderen bei 19°C mit der Nova Lager vergären lassen.

Rezept

36 Liter - 74% Brewhouse efficiency

7.5kg (92%) - Weyermann Wiener Malz
450g (5.5%) - Weyermann Melanoidin
200g (2.5%) - Weyermann Caraaroma

63°C - 20 Minuten
Dekoktion: 25 Minuten, ca. 10l Dickmaische
72°C - 30 Minuten

Maische PH: 5.40
13.1°P Stammwürze ~21 EBC

Kochzeit 90 Minuten
35g Saaz     (4.2%  AA) - 70 min - 10.1 IBU
13g Herkules (16.4% AA) - 70 min - 14.6 IBU
25g Saaz     (4.2%  AA) - 10 min -  2.9 IBU
50g Saaz     (4.2%  AA) -  0 min -  1.2 IBU
                                     29 IBU

Wasserprofil: 
98ppm Calcium, 2ppm Magnesium, 
9ppm Natrium, 92ppm Chlorid, 
96ppm Sulfat, 52ppm Bicarbonat

Brautag

Für diesen Sud habe ich entsalztes Wasser in meinem Kessel erhitzt und in meine SS Brewtech Mash Tun laufen lassen. 20 Minuten nach dem einmaischen habe ich ca. 10l Dickmaische gezogen, diese 10 Minuten bei 72°C gerastet, anschließend 25 Minuten gekocht und dann wieder zur Maische gegeben, um die gesamte Maische auf 72°C zu bringen, wo sie nochal 30 Minuten rasten durfte. Maische

Danach wurde per Hand zurück in den Kessel geläutert. Vorderwürze

Die Menge der Würze hat das absolute Limit meines Braukessels ausgenutzt. Ich musste anfangs sehr vorsichtig kochen, damit nichts überläuft. Die Würze wurde insgesamt 90 Minuten gekocht und die Hopfengaben erfolgten wie im Rezept angegeben. Kochen

Ich habe nach und nach Wasser nachgefüllt beim Kochen und beim Kühlen, um genug Würze für beide Fermenter zu erhalten. Die Würze wurde durch den Eintauchkühler auf 17°C gekühlt. Kühlen

Die Stammwürze wurde mit dem Easydens gemessen: Stammwürze

Anschließend wurde die Würze gleichmässig auf beide Fermenter aufgeteilt (jeweils 18l). Ein Fermenter wurde weiter auf 10°C gekühlt. Dann wurde entsprechend des Lallemand Pitching Rate Calculator die exakte Menge Hefe abgemessen und aufgestreut. Für den 10°C Fermenter waren das 14.9g und für den 19°C Fermenter 11.1g also genau ein Päckchen. Hefe wiegen Fermenter

Die Gärung

Die Gärung wurde mittels zweier Tilts verfolgt:

Gärung 10 Grad Die Gärung bei 10°C brauchte etwa 30h bis Aktivität eintrat. 4 Tage nach Beginn der Gärung, nachdem etwa 50% der Gärung abgeschlossen war, habe ich angefangen die Temperatur nach und nach etwas zu erhöhen, bis die Temperatur zum Ende hin bei 18°C war und dort für einige Tage gehalten wurde. Nach ca. 2 Tagen Cold Crash wurde das Bier ins Keg gefüllt.
Der Restextrakt beträgt 2.9°P (gemessen mit dem Easydens) bei einem Endvergärungsgrad von 78.5% und einem Alkoholgehalt von 5.5% ABV.

Gärung 19 Grad Die Gärung bei 19°C brauchte lediglich ein paar Stunden bis Aktivität eintrat. Die Gärung war nach 2-3 Tagen schon fast fertig. Nachdem die Aktivität nachgelassen hatte, habe ich das Bier noch weitere 2-3 Tage bei 19°C stehen lassen und nach 2 Tagen Cold Crash ins Keg gefüllt.
Der Restextrakt beträgt 3.2°P (gemessen mit dem Easydens) bei einem Endvergärungsgrad von 75% und einem Alkoholgehalt von 5.3% ABV.

Blindverkostung

Die beiden Biere habe ich 25 Teilnehmern in einem blinden Triangle-Test ausgeschenkt. Das heißt, jeder Teilnehmer hat drei Becher erhalten, in zweien war eins der Biere und in dem dritten Becher das andere Bier. Zum Beispiel Gelb: 19°C, Grau: 10°C, Grün: 19°C. Das Ziel ist es das Bier, das anders als die beiden anderen ist, zu erkennen, in dem Fall des Beispiels also Grau. Um eine statistische Signifikanz bei 25 Teilnehmern zu erreichen (mit einem p-Wert von 0.05) hätten 13 Teilnehmer das Bier korrekt identifizieren müssen, geschafft haben es aber nur 11.
Triangle Test

Mein persönlicher Eindruck

Nach wenigen Tagen Lagerung waren die beiden Biere sehr unterschiedlich, das 10°C Bier wirkte cleaner, malziger und etwas alkoholischer, das 19°C Bier fruchtiger und estriger. Nach 2-3 Wochen waren die Unterschiede auch noch sehr deutlich, wobei das 10°C Bier runder und cleaner schmeckte, das 19°C Bier hingegen fruchtiger, estriger und etwas bitterer.
Nachdem das Bier 7-8 Wochen gelagert wurde, war das 19°C Bier immer noch etwas trüb, die 10°C Variante hingehen schön klar. Ich habe mir ein paar Triangle-Tests zu Hause einschenken lassen und konnte es in Blindtests nicht fehlerfrei erkennen. Jedoch habe ich in jedem Fall die beiden jeweils ersten Biere, die ich getrunken habe, korrekt zugeordnet. Mir kam es auch so vor, dass der Geschmack des Bieres sich ändert, wenn man lediglich eine kleine Menge von 0.1l zapft, was der genaue Grund ist kann ich nicht sagen, aber ich vermute stärkere Oxidation durch anfängliches schäumen.
Vergleich Links: 10°C klar - Rechts: 19°C trüb

Interessanterweise ist das 19°C Bier auch nach 8 Wochen Lagerung noch trüb. Wenn man die beiden Biere nebeneinander trinkt (aus einem großen Glas) sind die beiden Biere sich natürlich ähnlicher als sie unterschiedlich sind. Jedoch hat das 19°C Bier für mein empfinden Lager untypische Off-Flavors, die in die fruchtige, estrige Richtung gingen. Das 10°C Bier war cleaner, malziger und runder und daher finde ich diese Variante auch deutlich besser. Bei Freunden, die lieber IPAs als Lager trinken kam die 19°C Variante hingegen besser an. Im Vergleich zu dem Wiener Lager, welches ich Ende 2022 mit der Andechser Hefe (L26 Pilgrimage) gebraut habe, ist das bei 10°C mit der Nova Lager vergorene Bier etwas unrunder und kantiger. Die Hefe wird also nicht mein Favorit für eher malzbetonte Stile. Grundsätzlich bin ich mit dem Bier aber zufrieden. Nach 8 Wochen Lagerung kommt die Malzigkeit in der 10°C Variante relativ gut zur Geltung. Aber die 19°C Variante ist nicht wesentlich schlechter, da kann man sich, wenn das andere leer ist, auch reintrinken, oder ein paar Flaschen im Freundeskreis verteilen.

Einen blinden Triangle-Test selber mitzumachen und durchzuführen war sehr aufschlussreich, meine Gedanken dazu werde ich in einem weiteren Artikel teilen.

Wiener Lager 10°C Wiener Lager vergoren bei 10°C, mein persönlicher Favorit